Am 18. Dezember 1929 ist die neue Berliner Vorortstrecke von Jungfernheide nach Siemensstadt und Gartenfeld eröffnet worden. Damit ist einem äußerst dringenden Verkehrsbedürfnis abgeholfen; denn alle bisher bestehenden Verkehrsmittel, die Vorortzüge der Hamburger und Lehrter Bahn und die elektrische Berliner Straßenbahn waren nicht mehr imstande, die bereits auf rund 60 000 gestiegene Zahl der in den Siemenswerken Beschäftigten von ihren hauptsächlich im Norden Berlins gelegenen Wohnstätten nach Siemensstadt und Gartenfeld hin und zurück zu befördern.

1. Erweiterung des Bahnhofs Jungfernheide

Bild 1. Streckenführung der SiemensbahnBild 1. Streckenführung der SiemensbahnDie neue Bahn (Bild 1) zweigt vom Nordring im Bahnhof Jungfernheide ab. dessen Anlagen Infolgedessen erweitert werden mußten. Ein neuer Bahnsteig C ist angelegt worden, an dem nunmehr alle Nordringzüge der Richtung Beusselstraße—Westend. die vom Nordring kommenden und nach Gartenfeld fahrenden und schließlich die nach Gartenfeld hier einsetzenden Züge halten; denn bei dem Massenverkehr ist wegen zu starker Belastung des Nordrings durch die neu eingelegten Züge Nordring—Gartenfeld auch noch die Einrichtung eines Pendelverkehrs zwischen Jungfern—heide und Gartenfeld erforderlich, und zwar besonders für die aus der Richtung Westend kommenden und in Jungfernheide umsteigenden Reisenden. Der bisherige Ringbahnsteig B dient dann lediglich dem Verkehr der Nordringzüge Westend—Beusselstraße und der aus Gartenfeld kommenden Züge. Diese beiden Bahnsteige B und C sind demnach für den Richtungsbetrieb eingerichtet. Der Vorortbahnsteig A wird wie bisher auch weiterhin lediglich als Haltepunkt der Hamburger und Lehrter Strecke beibehalten. Da Gelände für die Anlage des neuen Bahnsteigs C seitlich neben den vorhandenen Bahnsteigen nicht zur Verfügung stand, so mußte der neue Bahnsteig in der Längsachse des alten Ringbahnsteigs angeordnet werden.

Durch einen Tunnel mit den zugehörigen Treppen sind alle drei Bahnsteige miteinander verbunden: von der nördlich und mit den Gleisen parallel laufenden Straße ist der demnächst nach Süden zum Anschluß des südlichen Wohnngeländes zu verlängernde Tunnel mittels eines Eingangsgebäudes mit einer Fahrkartenausgabe zugänglich.

2. Linienführung der neuen Strecke

Bei der Ausfahrt vom Bahnsteig C benutzen die Züge nach Westend und Gartenfeld zunächst dasselbe Gleis. Für die Ueberführung über die Straße Tegeler Weg und die Spree war daher nur der Neubau eines. eingleisigen Brückenzuges erforderlich. Gleich hinter den Spreebrücken zweigt das Gleis nach Gartenfeld ab und wird nunmehr mit dem von Gartenfeld kommenden Gleis. das im Zuge des ehemaligen Ringbahngleises nach Westend die Spree und den Tegeler Weg überschreitet.zwischen den Ringbahngleisen und dann unter dem nach Westend führenden Ringbahngleis hinweggeführt. Letzteres ist zu diesem Zweck auf einem neu angeschütteten Damm verlegt. Hinter dem genannten Kreuzungspunkt biegt die neue zweigleisige Bahn nach Norden ab, überbrückt einen Kanalisations-Notauslaß und Rohrleitungen der städtischen Entwässerung, durchquert die Faule Spree, ein Sumpf— und Moorgelände. auf verbrei- tertem Damm mit flachen Böschungen, über- schreitet zum zweitenmal mit zwei eisernen Fach- werküberbauten die Spree und erreicht das Ge- lände der Siemenswerke. Um die Ausnutzung des Fabrikgeländes möglichst wenig zu behindern, führt die Bahn über einen 800 m langen eisernen Brückenzug und bedient mit dem Bahnhof Werner- werk den Hauptbrennpunkt des Verkehrs in Siemensstadt. von dem aus die Wernerwerke. das Blockwerk. das Kleinbauwerk, das Rundfunkwerk sowie das dortige noch zu erweiternde Wohngebiet auf kürzestem Wege zu erreichen sind. Der eiserne Viadukt geht auch über den Nonnendamm. den Siemensdamm und den geplanten Holtzdamm hin— weg. Von hier ab wendet sich die Bahn nach Westen, umfährt nunmehr auf einem Damm das vor dem Kriege entstandene Wohnviertel von Siemensstadt. überkreuzt drei in der Anlage be— griffene Straßenzüge auf Eisenhetonhrücken und erreicht mit dem über der Straße Rohrdamm ge- legenen Bahnhof Siemensstadt den zweiten Verkehrsschwerpunkt, Dieser Bahnhof wird den Verkehr des Hauptverwaltungsgebäudes. des Schaltwerkes. des Dynamowerks sowie des nahe liegenden und gegenwärtig gerade erweiterten Wohn- und Siedlungsgebiets aufnehmen. Vom Rohrdamm ab senkt sich die Bahn allmählich auf Straßenhöhe in nordwestlicher Richtung, dabei mit eisernen Blechträgerüberbauten die Fabrikstraße überquerend. und endigt am Berlin—Spandauer Schifffahrtskanal im Bahnhof Gartenfeld. unweit von dem Kabel- und Metallwerk der Siemens- Schuckertwerke A.-G.

 

3. Endbahnhof Gartenfeld

Bild 2. Empfangsgebäude des Bahnhofs GartenfeldBild 2. Empfangsgebäude des Bahnhofs GartenfeldDer Bahnhof Gartenfeld, dessen Empfangsgebäude mit einer Wohnung für den Bahnhofsvorstand auf Bild 2 dargestellt ist. hat zum Ab— stellen von Wagenzügen für die Zeit nach Abwicklung bis zum Wiedereinsetzen des Berufsverkehrs zwischen den Hauptgleisen eine Gruppe von sechs Gleisen erhalten. Diese Abstellgleise werden von Scheinwerfern beleuchtet. An jedem Bahnhofsende ist ein Mast von 30 rn Höhe auf— gestellt (Bild 3). Die große Höhe- ist gewählt worden, um die starken Lichtquellen aus dem Gesichtshorizont herauszuheben und dadurch eine Blendung zu vermeiden. Auf dem einen Mast sind drei, auf dem anderen vier Scheinwerfer angebracht, die mit 1000 Watt-Projektionslampen ausgerüstet sind. Um den Platz um den Mast herum ebenso hell wie die gesamte Gleisanlage zu beleuchten, ist Bild 3. Scheinwerferbeleuchtung der Gleisanlagen des Bahnhofs GartenfeldBild 3. Scheinwerferbeleuchtung der Gleisanlagen des Bahnhofs Gartenfeldin etwa 15 m Höhe an jedem Scheinwerfermast noch eine Leuchte mit 300 Watt angehängt. Die Betriebskosten dieser Beleuchtungsart betragen etwa die Hälfte derjenigen durch gewöhnliche Leuchten. Im Auslande sind derartige Bahnhofsbeleuchtungen wohlbekannt; bei der Deutschen Reichsbahn ist dieser Bahnhof jedoch der erste, der durch Scheinwerfer beleuchtet wird. Ihr Nachteil ist die nicht zu bestreitende Blendwirkung, wenn man nach oben schaut. Nach den Berichten aus dem Auslande ist diese Blendwirkung immer nur in der Anfangszeit störend empfunden worden: das Personal gewöhnt sich und vermeidet das unnötige Hinaufschauen. lm vorliegenden Falle ist die hohe Lage des Stellwerks seitlich der Gleise in der Bahnhofsmitte, also zwischen den Masten, ungünstig: hier macht sich die Blendwirkung vor allem bemerkbar.

4. Einige Bauwerke

Da es zu weit führen würde, alle Bauwerke mit allen ihren Einzelheiten an dieser Stelle zu behandeln, so wird nur das Bemerkenswerteste einzelner Bauwerke hier wiedergegeben.

 

a) Die Eisenbahnbrücken über den Tegeler Weg und die Spree am Bahnhof Jungfernheide (Bild 4)

Bild 4. Die Eisenbahnbrücken über die Spree am Bahnhof JungfernlieideBild 4. Die Eisenbahnbrücken über die Spree am Bahnhof Jungfernlieide
Dieser neue Br
ückenzug, der Ueberführung eines Gleises gemeinsam für die Richtung nach West— end und Gartenfeld dienend, muße dicht neben den bestehenden Eisenbahnbrücken errichtet werden. Für die Brücke über den Tegeler Weg ist ein Blechträgerüberbau mit geschlossener Fahrbahn und 3,80 m Hauptträgerentfernung als Gerberträger auf vier Stützen mit einer (Gesamtlänge von 19,0 + 12.7 + 15,8 = 47,50 m gewählt worden. Den Forderungen der Wasserbauverwaltung entsprechend hat die Spreebrücke drei Durchfahrtsöffnungen mit den lichten Weiten von 21,0 m, 24,40 m und 32,90 m erhalten, die ebenfalls mit Blechträgerüberbauten, jedoch mit Hauptträgerentfernungen von 4,40 und 4,80 m und mit offener Fahrbahn überspannt sind. Das Gesamtgewicht des Brückenzuges aus dem Baustoff 48 beträgt 303 t.

Während für die Fundamente des einen Brückenwiderlagers und der beiden Pendelrahmen im Tegeler Weg Flachgründungen angewendet werden konnten. mußten die beiden Land- und die beiden Strompfeiler der Spreebrücken wesentlich tiefer und auch tiefer als die daneben bestehenden Eisenbahnbrücken gegründet werden. da die voran ausgeführten Peilungen-n ergeben hatten, daß in Richtung des Spreelaufs gleich hinter dem vorhandenen Brückenbauwerk größere Auskolkungen in der Flußsohle im Laufe der Jahre aufgetreten sind.

Die Ordinaten der Unterkanten der vorhandenen Pfeiler sowie die Gründungstiefen der neuen Pfeiler und auch die Größe des Zwischenraumes zwischen den betreffenden Pfeilerfundamenten sind nachfolgend zusammengestellt:

AufstellungFür die Fundamente der Pfeilerneubauten wurde mit Rucksicht auf die bestehende Eisenbahnbrücke die Druckluftgründung mit Senkkasten gewählt; erforderlich erschien es jedoch, bei den ungünstigen Verhaltnissen hinsichtlich der Gründungstiefe und der geringen Abstände bei den beiden Strompfeilern noch besondere Sicherheitsmaßnahmen für den Bestand des vorhandenen Bauwerks zu treffen. Von allen geprüften Vorschlägen bot auf Grund der anderwärts bereits angestellten Versuche und einer Ausführung beim städtischen Wasserwerk in Düsseldorf das der Tiefbau- und Kälteindustrie-Aktiengesellschaft, vormals Gebhardt und König und Direktor Dr.-lng. H. Joosten patentierte chemische Verfahren zur Verfestigung loser Bodenarten. d. h. mit Hilfe von Chemikalien *) den Boden zu versteinern, die größte Gewähr für einen einwandfreien, sicheren. leicht und schnell ausführbaren Schutz der bestehenden Eisenbahnbrückenpfeiler. Nachdem im Laboratorium an Proben des an Ort und Stelle entnommenen Sandes die Möglichkeit der Versteinerung festgestellt worden war. wurde die Verfestigung des Sandbodens an den bestehenden Pfeilerfundamenten für den Bau der beiden neuen Strompfeiler beschlossen. Um das bestehende Fundament eines Pfeilerkopfes herum außerhalb seiner Spundwand wurden zwölf Einspritzrohre eingebracht; außerdem wurden noch innerhalb der Spundwand vier Einspritzrohre angeordnet. um den Boden unter dem Fundament ebenfalls zu verfestigen. Dazu mußte das Pfeilerfundament durchbohrt werden. Da die Bohrungen sich schwierig gestalteten, so wurde von der anfangs geplanten größeren Zahl von Einspritzrohren innerhalb der Spundwand Abstand genommen. Als Einspritzrohre wurden Gasrohre benutzt. die mit einer Spitze und am unteren Ende mit Löchern versehen waren. Zunächst wurde Chemikal I absatzweise von unten nach oben. bis die erforderliche Verfestigungshöhe erreicht war, dann in der gleichen Weise folgend Chemikal II eingepreßt.

Die Verfestigung des Sandes und Kieses unterund um die bestehenden beiden Brückenpfeiler hat ihren Zweck voll erreicht; denn abgesehen davon, daß irgendwelche Veränderungen und Risse in denPfeilern und Gewölben am bestehenden Brückenbauwerk beim Absenken der Kästen für die neuen Brückenpfeiler nicht beobachtet werden konnten, darf aus der Bildung der Luftblasen. die infolge des Ueberdrucks im Senkkasten aus diesem an seinen Außenflächen im Wasser emporsteigen, ein Schluß über das Gelingen der Verfestigung gezogen werden. Während an den drei Seiten des Kastens, die der Verfestigung abgewandt lagen, und im Strombett die Blasen lebhaft emporstiegen und stellenweise sogar einen strudelartigen Charakter annahmen, war die Wasserfläche um die bestehenden Brückenpfeiler herum, soweit der Boden verfestigt worden war, ruhig. Nur hier und da stiegen ab und zu Blasen hoch. An den Grenzen der Verfestigung dagegen war die Blasenbildung bedeutend stärker.

b) Die Ueberführung des Ringbahngleises nach Westend über die Gleise nach Gartenfeld (Bild 5, 6 und 7)

Bild 5. Ringbahnüberführung über die Gleise nach GartenfeldBild 5. Ringbahnüberführung über die Gleise nach GartenfeldSystem der Hauptträger: Trapezträger. Stützweite: 60 m. Hauptträgerabstand : 5.14 m, da der Uebergangsbogen der anschließenden Gleiskrümmung etwa zur Hälfte auf der Brücke liegt. Trägerhöhe: 7,50 m. Baustoff: St48. Gewicht: 157 t.

Schwierigkeit bot der Bau des westlichen Widerlagers, da dessen Widerlagskante nur 2,20 m von der Mitte des im Betriebe befindlichen Ringbahngleises entfernt war und das Widerlager rund 16,0 m unter der Schienenoberkante gegründet werden mußte. Erst in dieser Tiefe, und zwar 3.90 m unterhalb des Grundwasserspiegels, war bei den voran durchgeführten Bohrungen einwandfreier Baugrund angetroffen worden. Bei einer zulässigen Bodenpressung von 3,5 kg/cm2erforderlich, mußte das Widerlagsfundament eine Grundfläche von 9,50X14,50 m erhalten. Es wurde eine Senkkastengründung gewählt. Dazu war die Anschüttung einer Erdpyramide im Anschluß an den Bahndamm nötig. Um zu vermeiden, daß der auf dieser aufzubauende Senkkasten beim Absenken durch verschiedenartig gelagerte Bodenmassen des alten Ringbahndammes und Bild 6. Ringbahnüberführung über die Gleise nach Gartenfeld. Aufbau des westlichen Widerlagers vor dem AbsenkenBild 6. Ringbahnüberführung über die Gleise nach Gartenfeld. Aufbau des westlichen Widerlagers vor dem Absenkender Neuanschüttung sich schief stellt, wurde letztere, und zwar 3000 cbm Sand, in Lagen eingebracht. reichlich mit Wasser eingeschlemmt und eingestampft. Auf dieser Erdpyramide wurde sodann der Senkkasten aus Eisenbeton aufgebaut. Seine Eisen-armierung wurde der Sicherheit halber reichlich bemessen. Um die langen Seitenwandungen gegeneinander abzusteifen. wurden Zwischenwände aus Eisenbeton mit kleinen Durchgangsöffnungen im Kasten hergestellt. In der Kastendecke wurden zwei Oeffnungen angeordnet, die durch das Widerlager hochgeführt wurden. Der eine dieser Schächte diente dem Personenein- und -ausstieg. der andere der Beförderung des Bodenaushubs. Da die Untersuchung des Grundwassers das Vorhandensein wenn auch geringer. den Beton angreifender Bestandteile ergeben hatte, so ist der Senkkasten sowie auch der untere Teil des aufgehenden Widerlagers mit Klinkern in Traß-Zementmörtel verkleidet worden. Die Klinkerverblendung wurde zwecks inniger Verbindung mit dem Beton. mit Verzahnung ausgeführt. Um den Kasten Sicher abzusenken. wurde dieser mit einem Anzug nach oben von 1:20 hergestellt. Weiter erschien es um die Reibung zwischen dem Mauerwerk des Kastens und dem Erdreich beim Bild 7. Ringbahnüberführung über die Gleise nach Gartenfeld. Ein Teil der Eisenarmierung des SenkkastensBild 7. Ringbahnüberführung über die Gleise nach Gartenfeld. Ein Teil der Eisenarmierung des SenkkastensAbsenken zu verringern, den Senkkasten mit einer glatten Haut zu versehen. Für diese wurden Bleche von 3 mm Stärke verwendet. Bei gleichzeitigem Aufbau des Betonwiderlagers und dem Erdaushub aus dem Kasteninnern wurde das Widerlager abgesenkt. Nach Erreichung des Grundwasserspiegels wurde sodann auf d1e eine durch das Widerlager hindurchgeführte, im Kasten mündende Oeffnung eine Schleuse für das Preßluftverfahren aufgesetzt (die andere Oeffnung wurde mit Beton geschlossen) und das Bauwerk mit Hilfe von Druckluft bis zur vorgesehenen und auch innegehaltenen Gründungstiefe weiter abgesenkt.

Trotz dieser Senkkastengründung wurde zur Sicherung des Nachbargleises Jungfernheide— Westend außerdem noch eine Unterfangung desselben für erforderlich gehalten. Mit Rücksicht auf die große Kastenlänge von 14,5 m mußten zwei Gleisbrücken von je 10 m Stützweite angeordnet werden. die auf Betonfundamenten auf Eisenbetonpfählen aufgelagert wurden. Für das zweite Ringbahngleis Westend—Jungfernheide waren keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. Anfangs blieb der Damm auch in Ruhe; als der Kasten jedoch etwa 8 m abgesenkt war, trat ziemlich plötzlich eine Senkung des Gleises Westend—Jungfernheide ein, die bis zum Schluß der Senkungsarbeiten anhielt. Bei strenger Beaufsichtigung und Gleishebung konnte das Gleis in sicherem Betriebszustande gehalten werden.

c) Die Eisenbahnbrücken über die Spree (Bild 8)

Bild 8. Die Eisenbahnbrücken über die Spree mit anschließender ViaduktstreckeBild 8. Die Eisenbahnbrücken über die Spree mit anschließender ViaduktstreckeFür die Ueberbrückung der Spree wäre bei der vorhandenen Flußbreite nur eine Oeffnung von (62 m lichter Weite nötig gewesen; da jedoch geplant ist. die Spree mit dem Westhafen durch einen Kanal zu verbinden und die Schleuse mit dem Wehr nahe an die Bahnkreuzung zu legen, so mußte auf Antrag der Wasserbauverwaltung unter Berücksichtigung der späteren Anlagen der Wasserstraßen eine zweite Oeffnung vorgesehen werden. Die beiden Fachwerküberbauten mußten Stützweiten von 52 und 70 m erhalten. Sie sind zweigleisig ausgebildet. Hauptträgersystem: Trapezträger mit 8.75 m Trägerhöhe für den 70-m- Ueberbau und 8.00 m für den 52m-Ueberbau. Der Hauptträgerabstand beträgt 8.50 m. bei dem kleineren Ueberbau jedoch 8,80 m. da der Uebergangsbogen der anschließenden Gleiskrümmung zum Teil auf der Brücke liegt. Baustahl: St48, Gewicht: 590 t.

Die festen Lager sind auf den Widerlagern. die beweglichen auf dem Mittelpfeiler angeordnet; deshalb ist in jedes Gleis eine Schienenauszugvorrichtung mit einer Auszuglänge von 100 mm nach der vom Reichsbahn-Zentralamt heraus— gegebenen Musterzeichnung eingebaut.

Die beiden Widerlager und auch der Mittelpfeiler sind aus Beton hergestellt und liegen mit ihren Unterkanten 1,50 m unterhalb des tiefsten Punktes der Sohle des vorhandenen Strombettes. Diese Tiefenlage war bei allen drei Fundamenten einmal durch die geplanten Veränderungen der Wasserstraße bedingt. auf der nach erfolgtem Umbau 1000 t-Schiffe- verkehren können. Außer-dem wurde erst in dieser Tiefe einwandfreier Baugrund erreicht; darüber lagerte sehr feiner Sand, der in einzelnen Schichten als Schwemmsand anzusehen war. Zwischen Larsenspundwänden und

mit Hilfe der Grundwasserabsenkung wurden die Baugruben ausgehoben und die Bauten hochgeführt.

d) Der eiserne Viadukt (Bild 9 und 10)

Bild 9. Die Viaduktstrecke zwischen Sieinensdamm und Nonnendamm mit dem Bahnsteig des Bahnhofs WernerwerkBild 9. Die Viaduktstrecke zwischen Sieinensdamm und Nonnendamm mit dem Bahnsteig des Bahnhofs WernerwerkDie umfangreichste Bauausführung des gesamten Bauvorhabens war die Herstellung des rund 800 m langen eisernen Viadukts. der unmittelbar an die unter c) beschriebenen Spreebrücken anschließt.

Die gesamte Viaduktstrecke ist durch die Anordnung von Pfeilern in fünf einzelne, selbständige Teile zerlegt.

1.Teil. Von der Spreebrücke bis zum Nonnendamm. Länge: 240 m. Blechträgerüberbauten: zweigleisig. Hauptträgersystem: Abwechselnd Zweigelenkrahmen eingehängter Träger.

2. Teil. Vom Nonnendamm bis zum Siemensdamm. Länge: 310 m. Blechträgerüberbauten: ein-gleisig. da für die Anlage des Bahnsteigs des Bahnhofs Wernerwerk die Gleise auseinandergezogen werden mußten. Hauptträgersystem: Abwechselnd Zweigelenkrahmen und eingehängter Träger.

Bild 10. Die Viaduktstrecke vom Holtzdamm bis zum SiemensdammBild 10. Die Viaduktstrecke vom Holtzdamm bis zum Siemensdamm3. Teil. Ueberführung über den Siemensdamm. Blechträgerüberbauten: eingleisig. Hauptträgersystem: Gerberträger auf 4 Stützen (die beiden mittleren Stützen sind Pendelportale). Gesamtstützweite : 25,0 + 8,0 + 25,0: 58,00 m.

4. Teil. Vom Siemensdamm bis zum Holtzdamm.

Länge: 134m. Blechträgerüberbauten: ein-und zweigleisig. Hauptträigersystem: Zweigelenkrahmen und eingehängter Träger.

5. Teil. Überfuehrung über den Holtzdamm. Blechträgerüberbauten: zweigleisig. Hauptträgersystem: Gerberträger auf 6 Stützen (die vier mittleren Stützen sind Pendelportale). Gesamtstützweite: 7.6 + 14.7 + 11.2 + 14.7 + 7.6 : 55.8 m.

Die Stützweite der Portalrahmen des 1. 2. Und 4. Teils der Viaduktstrecke ist den Örtlichen Verhältnissen angepaßt und deshalb verschieden groß; sie beträgt 12 bis 30 m; die beiden Krag- arme haben zusammen eine Länge von 3 bis 5 m. Dementsprechend ist auch die Trägerhöhe der einzelnen Ueberbauten nicht gleich: der niedrigste Träger ist 1.40 m. der größte 2.40 m hoch. Bei Festsetzung der Trägerhöhe wurde jedoch die architektonische Wirkung weitgehend berücksichtigt. Sämtliche Ueberbauten haben eine geschlossene Fahrbahn erhalten. Der Hauptträger- abstand ist infolge der Gleiskrümmungen mit wechselndem Halbmesser verschieden. Auf den zweigleisigen Strecken beträgt er in der Geraden 7,3 m. in der größten Gleiskrümmung 8.6 m; auf den eingleisigen Strecken ist der kleinste Haupt- trägerabstand z 3,96 m, der größte in der Krümmung: 4,50 m. Die 70 Einzelbrücken aus St48 wiegen zusammen 3300t.

Die beiden Hauptträger der Tragkonstruktion des Bahnsteigs Wernerwerk sind Fachwerkträger, als Gerberträger über 11 Oeffnungen ausgebildet. Ihr Abstand beträgt 8,24 m; die Trägerhöhe ist 2,00 m. Die Fachwerkträger lagern auf den Stützen der Gleisüberbauten auf; demnach gleichen ihre Stützweiten denjenigen der entsprechenden Gleisüberbauten. Die Ausdehnungs- und Bewegungsmöglichkeit in der Längs- und Querrichtung, unabhängig von den Gleisüberbauten, ist durch entsprechende Anordnung von einfachen und doppelten (übereinanderliegenden) Stelzenlagern erreicht. Baustoff der Bahnsteigkonstruktion: St37. Gewicht: 245 t.

Die Untergrundverhältnisse auf der Strecke zwischen der Spree und dem Siemensdamm sind ungünstig; unter aufgeschüttetem Boden mit einer Stärke bis zu 1.5 m liegt Sand. der in den oberen Lagen sehr fein. mit zunehmender Tiefe aber schärfer wird. In verschiedener Höhenlage sind Schlemmsandschichten bis 3.0 m Stärke und hier und da Schichten und Nester von Ton. Moor. torfigen Ablagerungen zu finden. Erst in Tiefen von 7.0—8.0 m unter der Geländeoberfläche ist durchgehend einwandfreier Baugrund. bestehend aus Kies mit stellenweise größeren Steinen vorhanden, so daß nur eine Pfahlgründung für die Stützenfundamente in Frage kam. Im ganzen handelte es sich auf dieser schwierigen Gründungsstrecke um 65 Fundamente, von denen jedes je nach den Auflagerkräften auf 20—100 Pfähle (zum größten Teil Schrägpfähle) gesetzt werden mußte. Die eingebrachten 2700 Eisenbetonpfähle. je 7 bis 13 m lang. haben eine Gesamtlänge von 27 600 m. Und zwar sind Pfähle nach dem System Mast verwendet worden. deren Blechhüllen als Schutz gegen die im Grundwasser. wenn auch in ganz geringen Mengen enthaltenen, Beton zerstörenden Bestandteile einen Schutzanstrich vor ihrer Anlieferung zur Baustelle und einen zweiten kurz vor dem Einbringen des Eisengerippes und des Betons erhalten haben. Bei den anderen 23 Fundamenten nördlich des Siemensdamms wurde gleichmäßiger. wenn auch nicht gerade sehr scharfer Sand auch in größerer Tiefe vorgefunden; eine künstliche Gründung war nicht erforderlich. Jedoch konnte nur mit einer zulässigen Bodenpressung von 2.2 kg/cm2 gerechnet werden.

e) Die Eisenbetonüberführungen über die Straßen 80und 90 und über die Brunnenstraße (Bild 11)

Bild 11. Eisenbahnüberführung über die BrunnenstraßeBild 11. Eisenbahnüberführung über die BrunnenstraßeBei der Bebauung des anliegenden Geländes dieser drei Straßen. die auf der Dammstrecke zwischen dem Holtzdamm und dem Siemensdamm von der neuen Bahn gekreuzt werden. Wird auf möglichste Erhaltung des hier noch vorhandenen Waldbestandes Rücksicht genommen. Um die drei Brückenbauwerke dem Gesamtbilde besser anzupassen. wurden für ihre Ausführung Eisenbetongewölbe gewählt. und zwar mit einer lichten Weite für die Brunnenstraße mit 28.00 m. für die Straße 80 mit 13.4 und für die Straße 90 mit 15.40 m. Alle drei Gewölbe sind als Zweigelenkbogen, und zwar in Form von Korbbogen ausgebildet. Die Gelenke sind halbkugelförmig aus Beton hergestellt; an der Druckübertragunqsfläche ist eine Bleiplatte zwischen die Schalen gelegt. Die seitlichen Zwischenräume sind mit Gips ausgefüllt.

Da der Baugrund auch in größerer Tiefe durchgehend aus gleichmäßig reinem Sand besteht. SO wurden alle drei Brücken oberhalb des Grundwasserstandes flach gegründet mit einer zulässigen Bodenpressung von höchstens 3,0 kg/cm2. Die Ansichtsflächen wurden gestockt und an den Kanten scharriert.

f) Die Unterführung des Rohrdamms (Bild 12)


Bild 12. Gleis- und Bahnsteigüberführung des Bahnhof Siemensstadt über den RohrdammBild 12. Gleis- und Bahnsteigüberführung des Bahnhof Siemensstadt über den RohrdammUm den Bahnsteig des Bahnhofs Siemensstadt in Anbetracht des Massenverkehrs mit zwei Zu-gängen von der Straße Rohrdamm aus zugänglich machen zu können, mußte derselbe über der Straße angeordnet werden. Die in der Krümmung liegende Bahn- und die Straßenachse, die gerade unter dem Bauwerk einen Knick hat. kreuzen sich schiefwinklig. Für die lichte Weite der Rohrdamm-Unterführung war nicht allein die Straßenbreite, sondern auch die Straßenübersicht maßgebend. Demzufolge mußte die lichte Weite über die Straßenbreite hinaus vergrößert werden; die Widerlager sind so gestellt, daß sie ungefähr senkrecht zur Bahnachse stehen. Die Verwendung von Fachwerkträgerüberbauten mit tiefliegender Fahrbahn kam wegen der Bahnsteiganlage zwischen den Gleisen nicht in Betracht; für solche mit obenliegender Fahrbahn war die zur Verfügung stehende Konstruktionshöhe zu gering. Deshalb sind die Gleisüberführungen als eingleisige Blechträgerüberbauten ausgebildet, und zwar auf vier Stützen, von denen eine den Verkehrsbedingungen auf der Straße entsprechend in der

Straßenachse die anderen außerhalb der Bauflucht angeordnet sind. Hauptträgersystem: Zweigelenkrahmen für die mittlere Oeffnung, eingehängte Träger für die beiden Seitenöffnungen.

Die Gesamtstützweite der Ueberführung des Gleises in der Richtung nach Jungfernheide beträgt 14,52 + 5,44 (Kragarm) + 25,55 + 1.87 Kragarm) + 23,85 : 72,23 m, derjenigen für das Gleis nach Gartenfeld 11,98 + 5,59 (Kragarm). 25,63 + 1,65 (Kragarm) + 25.30 = 70,15 m.

Die Kragarme der beiden Portalrahmen eines Rahmenbauwerks nach einer Seitenöffnung hin sind wegen der schiefwinkligen Kreuzung ungleich, während die anschließenden eingehängten Träger nahezu gleich lang sind. Der größte Unterschied der beiden Kragarme eines Rahmenbauwerks betragt 6,44— 1,65 = 4,79 m. Der eine Kragarm ist also 6,44 m lang; der andere zugehörige Krag- arm dagegen hat nur eine Länge von 1,65 m. Blechträgerhöhe: 1,90 m. Der Hauptträgerabstand ist gleich 4,38 m, und zwar für die Ueberführungen beider Gleise, von denen dasjenige nach Jungfernheide in einer Krümmung mit einem Halbmesser von 300 m, dasjenige nach Gartenfeld in einer solchen mit einem H=500 m liegt. Baustoff; St48. Gesamtgewicht der Gleisüberbauten: 370t.

Die Bahnsteigkonstruktion gleicht derjenigen des Bahnhofs Wernerwerk. Hauptträgersystem: Gerberträger auf vier Stützen, als Fachwerkträger ausgebildet. Die Stützweiten entsprechen denjenigen der Gleisüberbauten; der größte Kragarm hat eine Länge von 5,67m. Der Haupt— trägerabstand von 9,42 m verringert sich nach dem Bahnsteigende zu auf 6.54 m. Auf dem Ost-widerlager ist ein festes und ein querbewegliches Lager angeordnet; die anderen Lager ruhen auf den Portalrahmenstützen der Gleisüberbauten und auf dem westlichen Widerlager, und zwar unter dem südlichen Fachwerkträger für die Längsbewegung als einfache Pendellager, unter dem nördlichen Fachwerkträger als doppelte Pendellager, übereinander angeordnet. für die Quer- und Längsbewegung. Baustoff St37. Gewicht: 160 t.

Die Fundamente der Widerlager und Stützen sind oberhalb des Grundwasserspiegels aus Beton mit Rundeisen armiert hergestellt, und zwar wegen des vorhandenen feineren, aber gleichmäßigen Sandes von großer Mächtigkeit in einer Größe, die sich aus der zugelassenen Boden-pressung von 2,2 kg/cm2 ergibt. Des schnellen Baufortschritts wegen mußten die Stützfundamente auch im Winter 1928/29 bei Außentemperaturen von minus 18 bis 27° weiterbetoniert werden. Zu diesem Zweck wurden die Baugruben in Geländehöhe durch Balken. Pläne und Bretter vollkommen abgedeckt. Durch Beheizung mit drei Oefen wurde eine Raumtemperatur von plus 8 bis 16° erreicht. Zum Auftauen des Kieses mittels Dampf diente ein Wasserkessel mit 10 m2 Heizfläche; der Kies wurde auf eine Temperatur von plus 60° gebracht. Das Wasser, in einem zweiten Kessel mit etwa 4 m2 Heizfläche erhitzt, hatte beim Eingang in die Mischmaschine eine Temperatur von etwa 40°. Splitt und Zement wurden nicht angewärmt. Die Durchschnittstemperatur des fertigen Betons beim Ausgang aus der Mischmaschine betrug 17°.

5. Oberbau und Sicherungsanlagen

Für die durchgehenden Hauptgleise der neuen Strecke ist der Reichsoberbau K mit Schienen S49 auf Holzschwellen in Steinschlagbettung verwendet worden. Die Abstellgleise des Bahnhofs Gartenfeld sind aus altbrauchbarem Schienenmaterial der Form 15, jedoch mit neuen Schwellen in Bettungskies hergestellt.

Die Sicherungsanlagen sind entsprechend den auf der Berliner Stadtbahn bei ihrer Elektrisierung eingeführten Einrichtungen mit folgenden Kennzeichen so ausgebildet, daß ein 2.5-Minutenverkehr durchführbar ist.

1. Zweischienige Isolierung des Gleises mit Drosselstößen.

2. Dreibegriffige Lichtsignale.

3. Ad-Signale an allen Einfahrsignalen.

4. Gefahrsignalschaltung.

5. Elektrisch-mechanische Fahrsperren.

6. Der elektrische Betrieb

Die neue Strecke ist für den elektrischen Betrieb ausgebaut. Für die Stromversorgung ist am Bahnhof Siemensstadt ein Gleichrichterwerk errichtet worden, das den vom Hauptverteilungswerk Halensee kommenden hochgespannten Drehstrom von 30 000 Volt in Gleichstrom von 800 Volt Betriebsspannung umwandelt. Die Umformung geschieht, wie in sämtlichen Unterwerken der Berliner Stadt— und Ringbahn. durch Quecksilberdampf—Großgleichrichter.

Während des ganzen Tages, von 5 Uhr früh bis 1 Uhr nachts. verkehren zwischen den Bahnhöfen Jungfernheide und Gartenfeld Pendelzüge, und zwar in der Zeit des Hauptverkehrs von 5- 9.30 und von 12 bis 19.30 Uhr in Abständen von 10 Minuten, in den übrigen Stunden in Abständen von 20 Minuten. Außerdem werden für den Berufsverkehr alle 10 Minuten durchgehende Züge, vom Nordring kommend, in Jungfernheide abzweigend, nach Gartenfeld gefahren, so daß zu Beginn und am Ende der Arbeitsschichten in den Siemenswerken gegenwärtig ein Fünf-Minutenverkehr besteht.